Zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte man es als Toter in London nicht leicht: Die Friedhöfe der damals schon großen Stadt quollen über, Grabstätten waren kaum noch zu bekommen und wenn, dann nur gegen ein hohes Bestechungsgeld.
Glücklicherweise wurden sich auch die Politiker dieses Problems bald bewusst und starteten die große Friedhofs-Offensive. Binnen neun Jahren entstanden rund um London sieben neue Cemeterys, einer dieser „Magnificent Seven“ und wohl auch der schönste, ist der Highgate Cemetery.
Seit 1839 fanden hier berühmte sowie einfache Bewohner der Stadt ihre letzte Ruhestätte, natürlich strikt getrennt nach arm (East) und reich (West), wie es sich für das aristokratisch korrekte England gehörte.
Doch selbst diese riesige Friedhofsfläche war nach einiger Zeit ausgeschöpft und wurde nach und nach sich selbst überlassen. Für die Natur entstand so DIE Gelegenheit, sich das Stück Land zurückzuerobern. Wege, Steine, Kreuze, Statuen – nichts war sicher vor Moos, Gras und Bäumen. In der beschaulichen Vorstadt-Idylle entstand ein Urwald – beinahe unvorstellbar in einem Land, in dem die exakte Rasenhöhe beinahe so wichtig ist wie die tägliche Teatime.
Schließlich machte der gemeinnützige Verein „Friends of Highgate Cemetery“ dem Wildwuchs ein Ende und nahm sich 1981 beiden Friedhofsseiten an. Vorsichtig bahnte man sich Wege, schnitt Pflanzen zurück und restaurierte Gräber, ohne dabei die einzigartige Atmosphäre des Ortes zu zerstören.
Heute gehört der Highgate Cemetery mit seinen überwucherten Gräbern und der romantisch-schaurigen Stimmung zu den eindrucksvollsten Attraktionen und das nicht nur, weil er bereits als Drehort für Vampirfilme diente. Viele Touristen pilgern natürlich auch zum Grab von Karl Marx, der damals auf der Seite der Armen in einer eher kläglichen Zeremonie beigesetzt wurde.
Die exklusive Westseite und ihre aufwändigen Gräber können übrigens nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden. Doch die lohnt sich ebenso wie der Besuch selbst, denn die Guides enthüllen während des Spaziergangs viele tragische und berührende Geschichten. So etwa die vom berühmten britischen Tierschausteller George Wombwell mit seinem Faible für Löwen, dessen Grab eine große Skulptur seines Lieblingslöwen ziert oder das Mausoleum, das der Deutsche Julius Beer für seine achtjährige Tochter bauen ließ. Dafür suchte er eine besonders hohe Stelle aus, um das kleine Bauwerk von seiner Wohnung in der Stadt aus jederzeit sehen zu können.
Mit seinen 52.000 Gräbern ist der Highgate Cemetery ein Ort, wo die Geschichten tausender Menschen und die Natur auf einmalige Weise miteinander verwoben sind – ein eindeutiges Must-See für Jeden.